Kommentar Sorry, Frau von der Leyen, aber diese Milliarden gehören immer noch Russland

Autor Oliver Stock

Mittwoch, 05.07.2023, 07:31

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will mit russischem Geld, das die EU vorläufig eingefroren hat, den Wiederaufbau der Ukraine finanzieren. Dadurch tritt sie aus moralischem Übereifer das Recht mit Füßen.

IMAGO/ANP EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (l.) im Gespräch mit EZB-Chefin Lagarde

Langsam dämmert es der EU, dass sie mit dem beschlagnahmten Vermögen Russlands nicht machen kann, was sie will. Doch diese Erkenntnis setzt sich nur millimeterweise durch. Bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dauert es länger. Sie will eingefrorenes russisches Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden: "Die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden", sagt sie und glaubt, dass alle nicken.

Denn moralisch sieht sie sich auf der richtigen Seite. Russland hat mit seinem Angriffskrieg Teile der Ukraine in Schutt und Asche gelegt. Die Kosten für den Wiederaufbau sind gigantisch: Mehr als eine Billion Euro, schätzen Experten. Um diese Summe aufzubringen, will die EU-Kommission auch eingefrorenes russisches Vermögen einsetzen.

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200 Milliarden Dollar russische Zentralbankreserven liegen herum. Verwahrt werden sie im Auftrag der EU vom belgischen Vermögensverwalter Euroclear. 700 Millionen Euro Zinsen brachten sie allein im ersten Quartal ein. Ein hübsches Sümmchen, dachte sich die Kommissionspräsidentin.

Zinserträge aus eingefrorenen Guthaben der russischen Zentralbank an Ukraine überweisen

Ihr Plan: Zinserträge aus eingefrorenen Guthaben der russischen Zentralbank an die Ukraine überweisen. Und für den Fall, dass das nicht klappt, haben die EU-Beamten im Auftrag ihrer Chefin noch eine weitere Option ausgeheckt: Man könnte auch Euroclear besteuern und die Einnahmen aus dieser Steuer der Ukraine zur Verfügung stellen.

Was für die einen moralisch selbstverständlich ist, ist für die anderen rechtlich schlicht verboten. Noch gehört das Geld den Russen. Und auch die Erträge aus diesem Vermögen stehen ihnen zu. Alles andere müsste ein Gericht entscheiden, aber keine Politik. Genau auf diesem Rechtssystem beruht die Überlegenheit einer funktionierenden Demokratie.

EZB-Chefin Lagarde stellt sich gegen von der Leyen

Diejenige, die darauf aufmerksam macht, ist ausgerechnet von der Leyens sonst so verlässliche Kollegin Christine Lagarde. Sie fällt der EU-Chefin in den Rücken. Die Chefin der Europäischen Zentralbank lässt sie wissen, ihr Plan sei geeignet, "die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen zu untergraben, auf denen die internationale Rolle des Euro beruht".

Mit anderen Worten: Von der Leyen zerstört das Vertrauen in den Euro, wenn sie im moralischen Übereifer das Recht mit Füßen tritt. Vielen Dank für diese Klarstellung, liebe Frau Lagarde.

Der Beitrag "Sorry, Frau von der Leyen, aber diese Milliarden gehören immer noch Russland" stammt von WirtschaftsKurier.


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